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    Predigt zu den Farben des Lichts

    Gehalten im Rahmen der Gottesdienstreihe „Unter Gottes buntem Regenbogen“ von Pfarrer Urs Michalke - Klingelbach, am 6. August 2023

    Physikunterricht in der 7. Klasse. Seit zwei Wochen nehmen wir den Bereich der Optik durch. Heute hat Dr. Stiehl eine Apparatur aufgebaut. Die Leinwand hat er auch ausgefahren. Sie hängt etwas gelangweilt von der Decke.
    Ein Klassenkamerad muss die Fenster verdunkeln und dann drückt unser Physiklehrer eine Taste und im selben Moment erscheint ein Lichtfleck auf der Leinwand.
    „Na toll“, denke ich mir. „Den Versuch hätte ich auch zu Hause mit meiner Taschenlampe hinbekommen.“
    Aber das Experiment ist noch gar nicht fertig. Dr. Stiehl hält einen Glaskörper in die Luft: faustgroß, dreieckig, also trapezförmig, glasklar, mit glatten Seiten. Und dann platziert er diesen Glaskörper zwischen die Lichtquelle und die Leinwand. Und dann staunen wir denn plötzlich ist auf der Leinwand ein buntes Farbspektrum zu sehen. Alle Farben des Regenbogens nebeneinander: rot und gelb, grün, blau und schließlich violett. Wie kann das gehen? – Weißes Licht fällt durch einen farblosen Glaskörper und wird plötzlich bunt!?

    Nachdem wir in der Physikstunde genug gestaunt haben, liefert uns Dr. Stiehl die Erklärung dazu. Und die geht so: Weißes Licht setzt sich aus allen sichtbaren Spektralfarben zusammen und jede Lichtfarbe hat eine unterschiedliche Wellenlänge: Bei rot ist sie am höchsten und bei violett am niedrigsten.
    Wird der weiße Lichtstrahl z. B. durch ein Glasprisma „gebrochen“, dann wird jede Lichtfarbe aufgrund ihrer eigenen Wellenlänge unterschiedlich abgelenkt und es entsteht ein Farbspektrum.

    Und genauso funktioniert übrigens auch der Regenbogen. Nur, dass das Licht eben nicht von einer Lampe kommt, sondern von der Sonne. Und die in der Luft schwebenden Regentröpfchen funktionieren wie der Glaskörper…   

    Genug Physikunterricht im abendlichen Sommergottesdienst!

    Ich finde die Tatsache, dass im weißen Licht alle sichtbaren Farben enthalten sind, unheimlich stark. Und ich will mit Euch heute darüber nachdenken, welche symbolische Kraft in diesem optischen Effekt steckt, denn schließlich feiern wir unsere diesjährige Sommergottesdienstreihe ja unter dem Motto: „Unter Gottes buntem Regenbogen“.
    Und vom Regenbogen haben wir ja eben auch in der biblischen Schriftlesung [1. Mose 9,8-17] gehört. Der Regenbogen ist Gottes Friedenszeichen und sein Bekenntnis zur ganzen Schöpfung. Immer wieder, wenn der Regen den Strahlen der Sonne weicht, dann steht dieses Zeichen am Himmel, weithin sichtbar, damit wir uns daran erinnern: „Gott steht zu mir und zu allen seinen Geschöpfen. Gott ist ein Gott des Lebens und will, dass alles, was atmet und alles, was lebt, bewahrt wird.“ 

    Und das gilt natürlich auch, wenn mal kein Regenbogen am Himmel steht, denn tatsächlich sind ja in jedem einzelnen Sonnenstrahl alle Spektralfarben enthalten. Ich könnte auch sagen: „In jedem Sonnenstrahl steckt ein ganzer Regenbogen.“ Aber es braucht schon ein Glasprisma oder einen Regentropfen, um die Farben sichtbar zu machen…

    So ist das auch mit Gott: Gott ist überall und an jedem Ort und in jedem seiner Geschöpfe steckt Gottes persönliche Handschrift. Nur sehen können wir Gott nicht. Und manchmal haben wir vielleicht auch Zweifel daran, ob Gott wirklich für uns da ist.

    Wenn etwas Schlimmes passiert zum Beispiel. In den letzten Tagen hat es in den Alpen und in China so heftig geregnet, dass es sich für die Menschen dort wie die große Sintflut angefühlt hat. Ganze Ortschaften überschwemmt, Straßen, Brücken und Häuser von den Fluten weggerissen oder überflutet oder im Schlamm versunken. Manche haben alles verloren und es gab auch Tote zu beklagen. Schlimm ist das. Eine Katastrophe, die sich wie ein persönlicher Weltuntergang anfühlen kann.
    Wie soll das Leben jetzt weitergehen? Und warum hat Gott das zugelassen?
    So fragen sich auch viele, die einen schlimmen Unfall erlitten haben oder durch eine schwere Krankheit gehen müssen. Oder ganz plötzlich einen lieben Menschen verloren haben…   

    In solchen Lebenslagen brauchen wir Zeichen und Erinnerungen, Worte, die neuen Lebensmut entfachen und die Nähe von anderen Menschen, die unserem Glauben wieder aufhelfen.
    Die Erinnerung daran, dass Du getauft bist und gesegnet für dein ganzes Leben: Gott hat deinen Namen in sine Handfläche geschrieben.
    Oder ein Zeichen, dass Gott wirklich da ist: der Regenbogen am Himmel oder die neuen Knospen an Deiner Zimmerpflanze, der Besuch Deiner Nachbarin im richtigen Moment und du denkst: „Dich schickt der Himmel“. Und schließlich der tiefe Friede in deinem Herzen, wenn Du im Gebet dein ganzes Leid geklagt und ihm dein Vertrauen ausgesprochen hast.

     

    Was mir am Regenbogen auch noch gut gefällt, das ist die Tatsache, dass er wirklich alle Spektralfarben enthält. Keine fehlt. Und jede andere Farbe auf der Welt, die zu den Spektralfarben gehört - sagen wir ocker oder oliv oder dunkelbraun - die kann man aus ihnen zusammenmischen.
    So bunt wie der Regenbogen, so unendlich bunt ist Gottes Welt, mit so vielen Möglichkeiten. So unterschiedlich und einzigartig sind auch wir, seine Menschenkinder. Und das erkennst Du, wenn du mit vielen anderen Leuten zusammenkommst. Mit Menschen, die so ganz anders sind. Auf der Reise in ein fremdes Land, wo die Leute anders aussehen und anders sprechen als hier, anders kochen, anders glauben, andere Umgangsformen haben.
    Auch wenn ich vieles nicht verstehen kann, ich staune darüber, wie vielfältig und bunt es zugeht auf der Welt. Wenn ich in der großen Vielfalt Gottes Schöpferkraft aufblitzen sehe, dann empfinde ich Respekt und ein bisschen Demut und ich erkenne: Die Welt ist so viel größer als mir bisher bewusst war und das Leben kann auch so ganz anders sein, als mir es vertraut ist: Familie, Berufsleben, Freizeitgestaltung, Brauchtum – andere machen es anders und das ist völlig o.k. so. Gut, dass nicht alle Menschen so sein müssen wie wir es sind. 

    Und mein eigenes Weltbild verändert sich und ich höre auf, alles zu bewerten und einzuordnen in richtig und falsch.
    Überall blitzt Gottes Schöpferkraft auf: im Fremden und im Vertrauten. Und in den unterschiedlichen Eigenschaften und Begabungen, die die Menschen mitbringen.
    Und manche davon wollen so gar nicht in die gesellschaftlich etablierten Raster hineinpassen. Dazu gehören auch die Menschen, die sich als LGBTQ verstehen und sich den Regenbogen zum Symbol gewählt haben: Schwule, Lesben, Transgender, oder queer – Menschen, die sagen: „Wir stehen dazu, dass wir anders sind. Und auch wenn das viele doof finden oder nichts davon wissen wollen, wir wollen uns nicht mehr verstecken. Und deshalb gehen wir auf die Straße und zeigen uns und kleiden uns manchmal schrill und bunt, damit wir nicht länger ignoriert werden.“
    Manche tun sich schwer damit, die natürliche Wirklichkeit zu akzeptieren, dass es Männer gibt, die Männer lieben und Frauen gibt, die Frauen lieben und solche, die nicht von anderen auf männlich oder weiblich festgelegt werden wollen oder die sich in ihrem Körper nicht wohlfühlen.

    Schade, dass unsere Kirchen lange Zeit so abweisend waren gegenüber Menschen, die nicht in unser Weltbild passten[1]. Und gut, wenn das mittlerweile anders geworden ist, weil wir erkannt haben und erkennen dürfen, dass Gott so viel größer und bedingungsloser liebt und um Liebe wirbt als wir und dass die Kirche Jesu Christi einladend sein soll und ein Zuhause für alle, die den Glauben an Gott Vater, Sohn und Heiligen Geist teilen und sich nach Gemeinschaft sehnen. Heimat ist da, wo ich sein kann und akzeptiert werde, wie ich wirklich bin.

    So einladend und offen, inklusiv und pluralistisch soll die Kirche sein, weil Jesus selbst einladend war und auf Menschen zugegangen ist, die anders waren als die große Masse. Zu denen, die am Rande standen, ist er hingegangen und hat sie in die Mitte geholt. Und jene, die andere vorverurteilt haben, hat er befreit.   

    Um noch einmal zum Bild des Regenbogens und zu den Spektralfarben zurückzukehren: Wenn ich da einzelne Farben wegnehme, weil sie mir nicht gefallen, dann ist der Regenbogen nicht mehr komplett.
    Und umgekehrt kann es weißes, helles Licht nur geben, wenn sich alle Spektralfarben überlagern. Wenn ich eine davon herausfiltere, dann gibt es kein weißes, reines Licht.

    Im Johannesevangelium sagt Jesus einmal von sich selbst: „Ich bin das Licht der Welt und wer mir nachfolgt, der wird nicht im Dunkeln tappen, sondern das Licht des Lebens haben.“ (Joh 8,12) - Ein Licht, das uns den Weg zeigen will, auch wenn wir alleine durch finstere Täler wandern müssen.
    Ein Licht, das uns den Weg zeigen will, auch wenn uns der Lebensabend dämmert und unsere Lebenskräfte nachlassen und unser Sehvermögen auch. Ein Licht, das ins Leben führt…

    Und Jesus, der Worte des ewigen Lebens hat. Worte, die unseres Fußes Leuchte sein wollen und ein Licht auf unserem Wege (Ps 119,105).

    Und zu denen, die ihm nachfolgen und mit ihm unterwegs sind, sagt Jesus: „Ihr seid das Licht der Welt. Lasst euer Licht leuchten vor den Menschen.“ Bringt Farbe in das Leben der Menschen, gerade dort wo sie sich im Einheitsgrau verloren haben.

    Ich bin sicher, wir werden niemals so hell und so rein und klar strahlen können wie Jesus es getan hat.
    Müssen wir auch nicht - es reicht, wenn ich in meinem ganz persönlichen Farbton leuchte. Ich muss nicht alles verstehen oder wissen oder erkennen. Da sind ja noch andere Menschen, die Jesus nachfolgen und das Farbspektrum ergänzen. Und weil wir einander brauchen und ergänzen, deshalb sind wir ja jetzt immer öfter gemeinsam unterwegs, wir Christenmenschen aus der Nachbarschaft auf dem Einrich und an der Aar.
    Und machen immer mehr zusammen – auch mit unseren Geschwistern aus der Ökumene.

    Liebe Schwestern und Brüder,

    da ist der Regenbogen und Gottes Versprechen an die Welt, die so wunderbar bunt und vielgestaltig ist, vertraut und fremd zugleich und manchmal auch befremdlich.
    Und da sind wir, die wir mit unserer Originalgeschöpflichkeit selbst ein Teil der großen Vielfalt und Buntheit sein dürfen.
    Und wir dürfen etwas von dem abstrahlen, was mit unserem Glauben in unser Leben gekommen ist.

    Es kommt nicht darauf an, dass wir am hellsten leuchten – Hauptsache, unser Licht strahlt Wärme aus und Klarheit. Amen

     

    [1] Die Kirchensynode der EKHN hat im Frühjahr 2023 ein Schuldbekenntnis gegenüber queeren Menschen formuliert, Es enthält die Bitte um Vergebung und die Selbstverpflichtung zur Förderung bestehender Vielfalt von Seiten der Kirche: https://www.ekhn.de/aktuell/detailmagazin/news/hessen-nassau-bittet-queere-menschen-um-vergebung.html

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